Matthias Buth
(Deutschland)
Organspende
Nein
Nicht die Augen
Die nicht
Aus ihnen will ich weiter sehen
Und Sterne aufsteigen lassen
Mich mit allem verbinden was erreichbar bleibt
Nachdem das Salz getrocknet ist
Lasst sie mir
Alle anderen gebe ich gerne
Zum weiterleben der anderen
Um deren Atmen zu füllen
Aber der Augen Blicke laßt mir
Ins All
Gegenwärtige das erhält
Und mich behütet
Wie die Engel auf meinen Wegen
Die sich nicht abwenden
Ach
Nein, will mich nicht
Lass mir die Muschel
Sie hält das Meer aus
Und lässt mich leben
Ich will Dich und weiß
Nur hinter unseren Augen
Lieben wir uns wirklich
Halten wir uns aus
Auch das Träumen ist Leben
Das Nichtlieben liebt wirklich
Das Nähe und Ferne aufhebt
Der schaumgeborene Anfang jeden Tag
Rembrandts Madonna leuchtet
Erst vor den Kerzen
Die unsere Träume ihr anzünden
So kommt ihre Anmut näher
Weltummundend auf der Umlaufbahn
Oberhalb der Wolken sind wir frei
Kommen ohne Worte aus
Sicher im Paradies der Poesie
Schaukelnd zwischen
Ich und Du
Montanfon
1
Der Bach orgelt seit Jahrhunderten
Seine Steine
Rund und stumm
Die Schneeschmelze kann es
Nicht lassen
Den Schliff zu verbessern
Die Schaumkronen stieben
Kristalle auf und
Gehen über
Mund an Mund
Mit der Forelle
Am Grund
Die die Minuten
Versteinert und alles Wasser
Durch die Kiemen lässt
2
Die Silvrettahochalpenstrasse wirft Staub in die Ritzen
Der Holzhäuser aus dem Jahre 1801
Die Dachbalken sind Fische mit weißen Augen
Und Mäulern als wollten sie schreien
Noch etwas sagen ganz zum Schluss
Tagein tagaus
3
Die Bergdohlen
Satzzeichen die den Gipfelschnee umkreisen
Und nichts finden
Das sie unterbrechen könnte
Bis der Abend als den Tälern
Das schwarze Farbband um ihre Flügel legt
Und sie der Ermüdung nachgeben
4
Kann ich Ihnen helfen
Fragt einer mit filzigem Hut
Während er Schnee aus den Wegen
Zwischen den Gräbern fegt
Nein
Ich schaue nur bin gern bei den Toten
Und so näher zu Hause
Denn Gräber halten zusammen
Die Namen der Dörfler sind alle verwandt
Schmiedeeisern wachen die Kreuze und
Verheißen Erlösung
Bis mich ein Name in den Blick nimmt
Dem ich nicht ausweichen kann
Paula Dich
Dich
Haben sie Dich begraben
Hier
Bin ich Dir hier nah?
Alpensegler
Sieben Monate bleiben sie in der Luft
Von September bis März
Von der Schweiz
Zu den Tropen Afrikas
Dreitausend Kilometer geöffnete Schwingen
Sie erholen sich in der Luftströmung wie
In den Nächten wenn die Flügelschläge ermatten
Die Dunkelheit schiebt ihre Federn zusammen
Sie schlafen in der Bewegung
Der Traum von Ankunft besegelt sie
Umkehrungen
1
Das Flugzeug im Anflug auf die Querwindbahn
Wird die Düsenschleppe auf den Beton werfen.
Und sich einreihen in die anderen Schlaflosen.
Rücken an Rücken
2
Du bist die Rückseite des Spiegels.
So sehen wir uns
Bis er beschlägt mit dampfender Wärme
3
Alkohol:
Souffleuse, Entfernungsmesser,
Geliebte Trauer
4
Was speichere ich, wenn ich meine Worte laufen lasse?
5
Erzählen ist zählen ohne Ziffern.
Von Klippe zu Klippe fallende Wasser.
Weißes Papier schäumt auf
6
Welche Option?
Speichern? Löschen? Zurück?
Ratlos verlasse ich das Menu.
Mich
7
Glücksspiel kann süchtig machen:
Untertitelt die Lottoanzeige.
Glück ist süchtig nach Erfüllung.
Nach Ankunft.
Nach jetzt
8
Der Regen, der aus der Nacht kommt,
Nadelt in die schutzlose Landschaft Ohr
9
Der Mai ist mondsüchtig.
Bis zum Johannisfest.
Dann kehrt es sich um
10
Nur was man verschweigt,
Hat Herz bis in die Niederungen.
Unaussprechlich.
11
Vergiss mein Nicht
12
Das abfahrende Auto hört mit dem Motor
Im ersten und zweiten Gang.
Noch
Dann bleib ich zurück
Choral
Wer nur den Lieben Gott lässt walten
Wer nur den Lieben Gott lässt
Wer nur den Lieben Gott
Wer nur den Lieben
Wer nur den Liebenden
Wer nur den liebenden Gott lässt
Wer nur den Liebenden Gott lässt
Wer nur lässt
Wer nur Gott lieben lässt
Wer nur Gott lässt
zulässt
Spürt dass er auf keinen Sand gebaut
Dass die Meere die Strände umarmen
Ohne Schnee
Und nun ist es sicher
Er ist nicht gekommen
Blieb aus und verschlossen
Das weiße Blatt
Das anfangen lässt
Und doch hatte ich darauf gesetzt
Dass er das Oben zerriss
Dass er die Konturen auflöste
Auf und Ab links und rechts verband
Dass er teilte dass er
Zungen zuteilte
Unbeschriebene taumelnde
Undurchdringliche
Blätter die neu eindecken was verloren
Die umhüllen und verinseln
Was mach ich nur ohne den Schnee
Der die Ferne nimmt
Der die Knospen suchen wollte
Wie soll März werden
Seit Stunden
1
Es regnet in den Orchestergraben.
Seit Stunden.
Gleich ist er voll.
Dann nehmen wir uns ein Instrument und überschwemmen
uns mit Freude.
Die Partitur schwimmt hinterher.
2
An Gräbern weinen wir uns entgegen.
Die Worte betrauern die Sprache.
Die Lippen fangen von vorn an.
3
Das Verlieren ist eine Lupe um zu finden.
Je tiefer desto größer.
4
Gott ist Liebe. Gebieterin über Furcht und Freude.
5
Einschlafen ohne auf das Einschlafen zu warten.
Sich den Geräuschen unterm Dach überlassen
wie Tauben, die ihren Kopf unter die Flügel betten.
So hören sie den Flug.
6
Machen Sie wieder einen Menschen aus mir,
sagte er auf dem Frisörstuhl nebenan.
Und was sage ich?
Der Spiegel wittert mich schon.
7
Träumen ist stricken mit weicher Wolle,
die sich den Pullover vorstellen kann.
Und die Wärme darunter
8
Mein Laptop nimmt mich mit.
In undurchdringliche Ferne.
Aufgeklappt
ein ratloser Mund,
eine Muschel ohne Meer.
9
Die Klage wird den Antrag ins Ziel bringen.
Das Gericht kann nicht anders.
Doch das Urteil wird verletzen. Alle.
10
Immer wieder wasche ich das Auto oder lasse es waschen.
Dann streiche ich die zurückgebliebenen Wasserstraßen vom Lack.
Jetzt kann der Fahrtwind gleiten, rauschen, weinen.
Wir sind eins.
11
Lieben ist leben ohne Grund
12
Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters von Pessoa
macht mich zum Nothelfer.
Als könnte ich zu ende dichten, was liegen blieb.
Nie komme ich ans Ende.
Schreiben ist anfangen gegen alle Vernunft
13
Dichten aber nicht verdichten.
Zwischenräume schaffen,
damit die Tulpen hinauswachsen können aus dem Vasenverlies.
So atmen wir Farben
Münze
Hier nimm
Sie ist handwarm
Ein Mond der die Fingerkuppen
Zu Sternen macht die noch nicht leuchten
Aber schon glimmen porenmatt
Und lass sie mitfliegen nach Rom
Ins zweite Jahr der Pèlerinage
Vergiss die Wasserspiele der Villa d´Este
Die auch nachts
Nicht zur Ruhe kommen
Geh zum Trevi Brunnen
Der alle Wünsche erfüllt der alle kennt
Und die Quellen der Flüsse
Die lächelnden Blumen
Und wirf sie hinein zu den anderen
So werden sie sich mit denen verbinden
Die auf die Transkriptionen der Fontänen hoffen
Und in den Wurf wünsche das Innigste hinein
Mit dem Versprechen niemandem davon zu erzählen
Dann hämmern die Zikaden eine neue Prägung in den Mond
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Matthias Buth
wurde 1951 in Wuppertal-Elberfeld geboren und lebt in Rösrath-Hoffnungsthal. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und promovierte 1985 mit einer Arbeit zu Pflichtenkollisionen im Militärstrafrecht.
Seit 1973 Veröffentlichungen im In- und Ausland von Gedichten, Rezensionen, Essays und Feuilletons in Print- und Funkmedien (u.a. WDR, DLF/Deutschlandradio, Deutsche Welle, Radio Bukarest) sowie in Anthologien (u.a. in „Der Große Conrady“ und „Frankfurter Anthologie“).
Seine Gedichte und Prosa wurden ins Arabische, Englische, Französische, Polnische, Rumänische und Tschechische übersetzt sowie vertont in Kammermusik- und Chorwerken von Thomas Blomenkamp (Meerbusch), Abel Ehrlich (Tel Aviv), Wolfgang Hildemann (Düsseldorf), Hermann Große-Schware (Krefeld) und für das Ensemble „Kunstkopf“ von Ulrich Heimann (Dortmund).
Er erhielt für seine Lyrik den Literaturförderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen und das Auslandsstipendium der Stiftung Deutsch-Niederländischer Kulturaustausch (Amsterdam).
Buth ist Mitglied im PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und in der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft (Wuppertal).
http://www.bauer-thoeming.de/roesratherleben/artikel/612/
http://training.dw.de/ims/blogs/wordpress/2013/05/matthias-buth-ein-prominenter-dichter/
http://www.fixpoetry.com/autoren/literatur/matthias-buth
http://www.ksta.de/region/portraet-die-welt-in-einem-fingerhut,15189102,12033196.html
http://mainka2010.wordpress.com/2010/08/23/ioana-geacar-matthias-buth-romania-dincolo-de-pleoape/