Marion Hinz
(Deutschland)
Widersprüche
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Ein Geschenk
Ein Geschenk sollte
man nicht ausschlagen
es könnte sich wandeln
vom Guten zum Bösen
vom Rechten zum Schlechten
vom hättste doch wärste doch
geb ich dir nimmst du mir
alles mein Lieb mein Leib
mein Hab mein Gut alles
Gegenliebe ist gefordert
sonst steht finstere Rache
und lodernder Hass ins Haus
*
Eurer Ehren
Ich lege Widerspruch ein
Sie haben mich
gefangen genommen
geknebelt gefesselt
Sie haben mir den Mund
verboten so dass ich
kein Wort sagen konnte
zu meiner Verteidigung
Erst jetzt hier vor Gericht
noch nicht entmündigt
die Sprache jetzt von allen
Fesseln befreit sage ich Euch
es ist nicht meine Schuld.
Ich habe niemanden verraten
ich habe keinen Mord begangen
auch niemanden abgehört
und niemanden belauscht
Ich habe gelauscht nur dem was
du ihr heimlich Unheimliches
gesagt und preisgegeben
Ihr die ihr immer am Rande
des Gesetzes gehangelt ihr
die ihr immer nah am
Limit pausenlos die Welt
aus den Angeln gehoben
Wer will wer kann soll
da noch die Balance
halten finden wiederfinden.
Einspruch Euer Ehren
und Widerspruch egal
was auch geschieht egal
wo das wohl hinführt
Einspruch und Widerspruch
auf und in jedem Fall.
*
Nirgends
Nirgends im Glück
überall auf der Flucht
nirgends zu Haus
überall vergeblich
nirgends gewollt
überall alles
verpasst.
*
Nur ungern
Ich widerspreche dir nur
ungern sagte sie und zog die
Augenbrauen hoch. Aber
sagte sie und betrachtete
ihre Fingernägel was du
da gerade gesagt hast ist
purer Schwachsinn.
Sie sah ihn dabei nicht an.
Sie strich sich eine Strähne
aus der Stirn als er zuschlug
ihr mitten ins Gesicht schlug
weinte sie nicht.
Statt Tränen floss Blut.
*
Säumnisse
Das Leben an sich
besticht durch
sein Dasein
Der Mensch an sich
verspielt seine
Berechtigung
am Leben am Dasein
an sich weil nichts
bleibt wie es war
weil auch in Zukunft
Endgültigkeit nicht gegeben
ist wenn er gegangen ist
Endlichkeit und Endgültigkeit
sind so dicht beieinander
wie du und ich wie wir.
*
Überall
Überall
Widersprüchliches
Gegensätzliches
Überall
Widerworte
Gegenstimmen
Überall
Widerliches
gegenwärtig
trotz aller
Harmonie.
*
Was mir widerfährt
Was mir widerfährt
ist widersprüchlich
daher
erübrigen sich
Widerworte
und
Argumente
verbieten sich
von selbst.
*
Widerspruch zwecklos
Widerspruch ist zwecklos
weil das so ist hältst du
am besten deinen süßen
deinen schönen Mund
So liebe ich ihn
wie er küssen kann
dein Mund wie
deine Lippen sich
auf meine legen
drücken pressen
Wie das alles anfängt
weitergeht nicht aufhört
+ endet wie immer
Widerspruch zwecklos.
VOGELFRAU –Zyklus, Skulptur by Margit Huch
http://www.margit-huch.de/skulpturen/grosse_vogelfrau.html
Weibsbilder
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Kam von den blauen Bergen
trug eine Blume im Haar
gefunden am Fluss
bei den Eidechsen
unter den Steinen
wuchs sie heran
bis zur Blüte.
Kommt näher das Weib
im weißen Gewand
streicht übers Gras
flatterhaft im Wind
wirft Schatten ins Licht.
*
Manche Weibsbilder fallen
aus dem Rahmen
laufen davon mit
gestreckten Armen
tastenden Händen
blinden Augen
durchs Dunkel der Welt.
Manchmal verlieren sie
etwas von sich
hängt ein Stück Stoff
am unteren Bildrand
erzählt ein Rockzipfel
den Anfang der Geschichte
der Ausgang bleibt offen.
*
Manche Frauen sitzen
in Schubladen
im Nähkästchen
plaudern sie
spielen mit Rollen
umgarnen dich
spinnen tausend Fäden
zum bunten Band
fesseln dich
sperren dich ein
bei den Knöpfen
ganz unten
*
Manchmal findest du
unter all den anderen
eine die ist fast so wie du
In diesem Weibsbild
sind deine Träume erfüllt
glänzendes Haar
leuchtende Augen
ewig lächelnder Mund
Könnte sie gehen
würde sie schreiten
Berührtest du sie
ihre Haut wäre zart
könnte sie reden
würde sie schreien
hörtest du sie
stürbest du
*
Manche Weiber
haben ein Herz aus Erz
und tragen ein Schild
vor der Brust
Rühr mich nicht an
sagt das Schild
und blendet das Auge
in der Sonne
Manche Weiber
sind ewige Sieger
jeder Kampf
wird ausgefochten
jeder Gegner
ist ein toter Mann
Manche Weiber
drehen sich um
wie Fahnen im Wind
schreiten davon
als ob nichts geschehen wäre.
*
Manche Weiber
fallen herab auf die Erde
vom Feuerschweif
einer Sternschnuppe
des nachts
Himmlische Gesandte
gefallene Engel
funkeln im Dunkeln
warten auf einen
der kommt
und das Feuer entfacht
Ach irdische Lust
was tust du uns an
Wir vergehen in höllischer Glut
Nichts bleibt
nur verbrannte Sehnsucht
als schwarze Fahne
in der Luft
*
Vergessen
für einen Augenblick
all die zänkischen
und klagenden Weiber
und die, deren Haut
gelb ist vor Neid.
Vergessen
für einen Augenblick
all der Schwefelgeruch
und das Gelächter
der Hyänen.
Zieh den Vorhang zu
© Marion Hinz
„dieses Ungezähmte in mir“
*
Eines wollte ich dir noch sagen
bevor dieser Tag zu Ende ist
doch irgendetwas hat mich heute
genau wie gestern
und alle Tage
daran gehindert
weißt du was es ist?
*
Ich wüsste gerne mehr von dir
nicht nur, dass deine Augen
in der Sonne bernsteinfarben sind
nicht nur, dass deine Nähe
mich so teuflisch verführt
ich wüsste gerne
bist du wirklich so anders?
*
Noch kein einziges Mal
berührte meine Hand
dein Gesicht, deinen Mund.
Vielleicht liegt unsere Nähe
in der Ferne. Ach ist es so?
Mein Herz will ich zerreißen
mein Königskind
so tief ist das Wasser
und brennt kein Licht
zu spüren nur Kälte
und Furcht zu ertrinken.
*
Und war da ein Tag
an dem wir aufeinander
zugingen den einen Schritt
einander plötzlich so nah
dass meine Hand über
deinen Rücken strich
mein Kopf auf
deine Schulter fiel
nur eine Sekunde
kaum länger.
*
Tropft so zäh ins Blut
die Erinnerung
meine Glieder so schwer
meine Lippen so heiß
und unter der Haut
ein leichtes Vibrieren
So schwer und süß
und rot wie Wein
bist du in mir.
*
Dieser See ist eine Falle
und ich falle hinein
sinke ins Dunkel
kann dich nicht finden.
Wo bist du? Hilf mir,
damit ich nicht ertrinke.
*
Keine Bleibe für mich
in diesem Schloss
auf dem Meeresgrund.
Mein Königskind ist ausgeritten.
Drum will ich nicht weilen
in diesem Schloss
auf dem Meeresgrund
bei den Jungfrauen
die an Träumen weben.
Mein Königskind ist ausgeritten.
Drum will ich aufsteigen
zum meerumspiegelten Licht
dir den Weg weisen zu mir
mein Königskind.
*
Wenn ich dich sehe
tragen mich meine Füße nicht
ich schwebe zu dir.
Erst, wenn deine Arme mich umschließen
wird der Boden wieder fest
unter meinen Füßen
und leicht ist mein Herz.
*
Wenn du kommst,
werde ich dir den Läufer
zu Füßen legen
an dem ich gewebt
so lange Zeit.
Goldener Faden,
schimmert so hell.
Solange du willst
werde ich weben
was immer du willst.
*
Mein Königskind
bin mit dem ersten Sonnenstrahl
hinausgegangen
habe mich ins Gras gebettet
und gewartet auf deinen Schritt.
Kamst hoch zu Ross
hörte dich lange zuvor
und dieses Ungezähmte
brach auf in mir.
Hörte die donnernden Hufe,
roch den Schweiß deines Pferdes.
Als du mich umarmtest,
waren die Hufe über mir.
*
Hatte drei Wünsche frei
eh ich dich wusste.
Verwarf den einen
wünschte den anderen
wünschte mir ein weites Herz
wünscht mir das Blaue vom Himmel
und zuletzt wünschte ich dich.
Da lächelten die weisen Frauen
doch ich verstand sie nicht.
*
Dieses Warten auf dich
wie eine sanfte Folter.
Die Hände gefesselt,
das Herz gebannt.
Nie war Erde so hart
nie war Sehnen so stark.
Bin nicht verwundbar
das macht das Leiden leicht.
*
Birgt Verzicht das Meer
kristallenes Salz
gefrorene Tränen
glitzernde Träume
schimmerndes Korallenriff.
Weiß und rosa scheint
die Farbe junger Liebe.
Nie den See gesehen
nur das Meer
und dich, mein Königskind.
Träumte du deckst mich
mit Seerosen zu.
*
Will in die Knie sinken
mein Königskind
in den weichen Sand
in die zerbrochenen Muscheln
solange bis mein Blut
das Meer färbt.
Soll mein Leben,
meine Zeit rinnen
in die Unendlichkeit
mein Königskind.
Wie still das Meer ist
in der Tiefe.
Alles werfen die Wellen an Land.
*
Bin das Meer,
das dich umschlingt
bin die Welle
die an Land zerbricht.
Stürmisch mein Kuss
auf deinen kalten Mund
soll dich erwecken
aus tiefem Schlaf.
So blass dein Gesicht
so tot du
so weit fort
von mir.
*
Habe mir nicht träumen lassen
so früh schon aufzuwachen
aus diesem Traum
mein Königskind.
Dein Rosenkranz vergilbt
wie die Seiten eines Buches.
Trauer nahm den Rosen das Rot.
Mir ist, als falle Seite für Seite
aus dem Buch des Lebens.
Hast mich verlassen
mein Königskind.
*
Vögel nisten sich ein
in deinen Traum.
Nur eine einzige Feder
sträubt sich im Nacken
der Taube.
Der Rabe putzt
siegesgewiss
sein Gefieder.
*
Kein stilles Wasser
tosendes Meer
in dem mein Königskind
mich an sich reißt.
Brichst meinen Willen
wolltest sanft sein
vielleicht morgen
wenn wir am Fluss sind.
Zerrst an mir,
mein Königskind
wolltest behutsam sein
vielleicht morgen
wenn wir an der Quelle sind.
*
Dein Gesicht
mein Spiegel
unser Spiegel
das Meer.
*
Lagen am Meer
mein Königskind und ich
hielten die Muschel ans Ohr
lauschten dem Rauschen
vermischte sich alles
Meer Muschel wir
alles ein Rausch.
*
Nie will ich mehr
als du mir geben kannst
nie mehr als das Wasser
das durch deine Finger rinnt
nie mehr als deine Hände
auf meinem Gesicht
nie mehr als den Todeskuss
auf meinen Mund.
*
Sehe nur dich
mein stürmisches Königskind
schaumgekröntes Haar im Wind
ungezähmter Ritt auf den Wellen
perlmuttglänzender Leib
in der Abendsonne.
Nimm mich mit
mein Königskind.
Hörst mich nicht,
siehst mich nicht
siehst nicht die Welle über mir
hörst nicht meinen letzten Schrei.
Er lacht voll Glück
mein kindlicher König.
*
Bist mein feines Feinsliebchen,
sagte mein Königskind
und strich mir übers Haar.
In diesem Altweibersommer
gehört er mir ganz mein Prinz.
Bald fällt Schnee auf dein Haar
sagt mein Königskind.
Doch noch ist Altweibersommer
spinnt silberne Fäden hinein
bevor der Winter kommt.
Alle Gedichte: © Marion Hinz
Mein Haus
Wenn ich mein Haus betrete
über die Schwelle hinweg
weiß ich nichts mehr
von Schwellenangst
die ich befürchte
sofern ich fern bin
wenn mein Fuß
erst zaghaft noch
den ersten Schritt
über die Schwelle
hinweg getan hat
ist alles vergessen
ist alles vorbei
ist alles draußen
geblieben
ist alles nie
geschehen
niemals
wenn ich zu Hause
angekommen bin
über die Schwelle
getreten bin
wer oder was
auch immer
mich erwartet
wer oder was
dort auf mich wartet
der oder das
heißt mich
ganz gewiss
willkommen.
©Marion Hinz 2013
Mein Stuhl
Mein Stuhl
wartet auf mich
erwartet mich
hofft auf mich
so lange sitze ich
so lange bleibe ich
bis er allein mit mir
weiß ich bin da.
©Marion Hinz 2013
Mein Bett
Mein Bett ist bereit
bereit für dich mich
zu lieben zu hassen
zu beglücken
zu verletzten
zu bedecken
festzuhalten
mit warmen Worten
mit leichter Hand
zu küssen mit
lachendem Mund
dein lockender Blick
sagt sei mein im Bett
ich bitte dich sagt er.
©Marion Hinz 2013
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Marion Hinz, geb. 1946, ist Journalistin und Autorin. Von 2006 bis 2012 war sie als Fachbeirätin für Literatur Mitglied im Bundesvorstand der GEDOK. Veröffentlichungen u. a.: „Dieses Ungezähmte in mir“, Bilder: Annelies Hölscher, Weiland-Verlag, 1997; Lyrik in: „Schlaf“/Der Dreischneuß, Marien-Blatt Verlag, 2005; „aber das meer“, GEDOK Schleswig-Holstein, 2005; „Wortschau“, 2007; „Rosen-Worte“, Leinpfad-Verlag 2008; „Poetische Gärten“, 2008 und „Anrufung des Friedens“, Euterpe, Husum-Verlag 2010. „Unsere schöne Stadt“, Theaterstück zum 100jährigen Stadtjubiläum Bad Schwartaus in 2012, Auftragsarbeit. Homepage: *