Inka Bach
(Deutschland)
Konturen
Wär’ ich geblieben
im Nebelland
auf der Aschenbahn
hätt’ ich Linien gezogen
zwischen mir und dem Nebel
hätte gewusst das Wogegen Wofür
könnte noch sagen: Mutter
wäre gelaufen auf der Aschenbahn
in heilsamer Verzweiflung.
Von Ost nach West und zurück
Fern mehr als fern
nah hautnah beinah.
Unter Blattgrün
Alleen
gleitend in Kindheit
Erinnerung bewahrt
nicht bewahrt
Geburtstagsfahrten
spät zu spät.
An deiner Haut
Haut sonnenwarm
entlang dem Weiher
dem Feld
am Feld runde Bäume
leuchtend in Wellen in
Hellem.
Ists Frühling oder Herbst?
Wir stolpern über
Wege verkehrszeichenfern
Lupinen Zinnien
holprige Wege
ins Dort ins Fort
kein Ort
schwebend über Grenzen
zurück:
Blech blank
blank geputzt
Straßen Stein
gerader Stein
ein anderes Wort
ein anderer Ort
nicht hier nicht mehr
dort.
Die Kader
der Tisch ist leer
wir haben nur
immer kühl geredet
in Zeichensprachen kahl
auf Papier müde Augen
jetzt im Graurot fortgehn
es ist spät es ist still
hockend warten wir
auf den Sprung
hinaus ins Blaue
Einreise
die Grenzen öffneten sich
mir wofür
die Großmutter war gestorben
das Haus verkauft
der Brunnen längst zugeschüttet
im Stall stand ein Trabant
ich pflückte die Quitte
roch Spätherbst
nur zwei Rosen noch vor dem Haus
alles kannst du ändern
deinen Namen kannst du ändern
deine Straße, die Stadt verlassen
das Haar dir schneiden
die Kleider
die Freunde wechseln
und dir die Schuhe von den Füßen streifen
Die Weltbürger
Sie ziehen weiter
zeigen würzig Bart und Zunge
in der Karibik in Frankreich
In Poznan in der Kindheit sind sie zuhaus
die Weltbürger die Ziegen.
Sie ziehen weiter
zähe Nomaden
sie recken sich
zu afrikanischen Tänzen
Zickzackzeichen auf dem Fell.
Sie ziehen weiter
Zaungäste
ziehen über die Dorfstraße
und meckern
über die Zäune.
Landstreicher
nach Ungaretti
ich suche
ein unschuldiges Land
ich esse von
boshaften Äpfeln
auch in der nächsten Nacht
kein Schlaf
Paris, rue de Vaugirard
Der Sonnengott weint
in der Stille.
In der Mittagspause sitzt er
am Tisch legt er den Kopf
auf die Arme
weint seiner Mutter nach
und Afrika.
Olive
du sahst mich
gehn in der Sonne
du sahst mich
stehn unter einer Olive
im Schatten
du fragtest mich
kennst du die Sonne
die Olive
den Schatten?
Nacht
Trüg mich die Erde nicht,
läg ich schon lange still,
läg ich schon lang,
wo die Nacht mich will,
eh sie die Nüstern bläht
und ihre Hufe hebt
zu neuen Schlägen,
immer zum Schlag,
immer die Nacht
und kein Tag.
ohne Haus
ohne ein Haus
zu bauen
aber die Hauswand
warm von Sonne
am Morgen
Berg und Bach
ein Wort
zum Beispiel
Datteln
jeden Tag kommt ein Brief
später Schnee
ein Stern
getragene Mäntel
hell mit Flecken, dunkel mit Riss
am Haken Mäntel, getragen
zwei Nomaden schauen dem Regen zu
ein kurzer Traum von einem Nest
wieder im Rhythmus der Sterne
über Pfützen davon
mit fliegenden Schößen
Schmutz und Schärfe zu
Traumpferd
Kurz ist die Nacht zwischen zwei Orten.
Grenznah rast schweigend
ein frierend Traumpferd.
Verhärtet der Boden noch
hüben und drüben dünn
die Eisdecke.
Nie ist das Jahr so still wie jetzt.
Aus sprachlosem Schatten
wächst weiß eine erste Blüte.
verkehrter Herbst
an den Rändern fault die Stunde
welche Angst, welch bleich Gesetz
durch die Straßen heulen Hunde
Gift vermählt sich mit Geschwätz
unsichtbar macht es die Runde
umspannt uns eng mit seinem Netz
trägt Schatten ohne Namen
droht uns mit dem Wind
Höllenmohn und Schlangensamen
Todesaugen suchen blind
was wir selbst erfunden haben
wer wohl unsere Feinde sind
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Kurzvita
Inka Bach ist 1956 geboren und in beiden Teilen Berlins aufgewachsen.
Sie studierte Germanistik und Philosophie, Promotion. Arbeiten für Film, Theater und Fernsehen. Sie schreibt Prosa, Hörspiele, Theaterstücke, Kolumnen und Gedichte. Von 1986 bis 1989 lebte sie in Paris und New York. 1998 war sie Stadtschreiberin in Rheinsberg, 2002 in Erfurt, 2004 in Amsterdam, 2012/13 Burgschreiberin in Beeskow/ Brandenburg, 2013/14 Baldreit-Stipendiatin in Baden-Baden. Sie erhielt weitere Stipendien und Preise.
Inka Bach hat zwei Kinder und lebt als freie Autorin in Berlin.
Letzte Veröffentlichungen u.a.:
„Glücksmarie“, Roman, Transit Verlag Berlin 2004;
„Der gemeinsame Weg“, Gedichte“, Aphaia Verlag Berlin 2008;
„Der Schwester Schatten. Eine Szenerie nach Trakl“, Theaterstück, UA Berlin 2010, Kaiser Verlag Wien;
„Aufzeichnungen aus dem Untergrund“, Theaterstück, UA 2012 Berlin;
„Im Ohrenland des Krieges“, Hörspiel, SWR 2014;
„Kunst, Kaviar und Kamelien“, Baden-Badener Kolumnen, Rendezvous Verlag 2014
Foto: © Volker Gerhard
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